Die Abfahrt und der erste Urlaubstag
Die Räder standen fertig gepackt in der Garage. Es war ein fürchterlicher Morgen, so einer, der nicht heller wird, dunkelgrau, und es regnete in Strömen. Oh, nein, man muss schon ganz schön verrückt sein, an so einem Tag loszufahren.
Wir bogen aus dem Hamsterweg, und ich war erstaunt. Da stand das große Auto von Freundin Christel. Sie stieg aus und filmte uns, trotz des widrigen Wetters. Ein letzter Gruß und im rasenden Tempo ging es zum Bahnhof. Es war der 3. Mai 2010.
Um sieben Uhr lief unser Zug in Oranienburg ein und es regnete immer noch. Auf dem Bahnsteig war die nächste Überraschung, da stand mein Vätchen, und ich war ganz gerührt. Wir wussten, er war gegen diese Reise, aber schließlich ging es ja erst einmal gen Kolberg und das fand mein Vater natürlich gut. Er war dort geboren und hing sehr an seiner Heimat und so hoffte er wohl, wir würden dort hängen bleiben und nach einigen Urlaubstagen umkehren. Alles andere wäre zu gewagt, meinte er. Na, schauen wir mal. Seine Verabschiedung hatte mir sehr viel bedeutet und ich war in dem Moment froh, dass es so regnete.
Wir waren um zehn Uhr planmäßig in Warnemünde und der Regen hatte aufgehört. Die erste Hürde war genommen. Fredi musste auf dem Bahnhofsvorplatz seine Currywurst essen. Wir freuten uns, dass es los ging und standen solange auf der Brücke am alten Strom, bis einer kam, der uns fotografierte. Einen Beweis wollten wir, bevor wir in östliche Richtung losfuhren. In einigen Monaten, wollten wir vom Westen kommen und wieder an derselben Stelle stehen. Das war unser Ziel!
Dann nahmen wir die Fähre zur Hohen Düne. Mit diesem Ort verband uns ein besonderes Gefühl. Als wir 20 Jahre alt waren, hatten wir uns hier herumgetrieben, eine Nacht auf der Mole verbracht, sind von der Armeestreife einkassiert worden, wurden getrennt und haben uns dann glücklich wiedergefunden. Fred war jahrelang dort stationiert und hatte in der Zeit so einiges erlebt. Man sah es jetzt noch seinem Gesicht an, wie sehr es nach über vierzig Jahren in ihm arbeitete.
Das Armeeareal war immer noch riesengroß und es dauerte lange, bis wir an dem Zaun vorbei waren. Schau mal, da habe ich das und schau mal dies und da war jenes, so ging es die ganze Fahrt dort entlang. Es hat sich doch sehr viel verändert, meinte er dann. Ich sah das mit ganz anderen Augen. Für mich sind Kriegsschiffe und das ganze Drum und Dran immer noch ein Gräuel.
In mich hinein lächeln musste ich dann doch, weil ich an meinen gutaussehenden Molli von damals dachte. Auf meinen Marine-Obermaat war ich bei seiner Entlassung stolz. Er hatte in seiner Armeezeit viel gelernt und war dann im Stahlwerk später als Elektroniker und Fernseh- und Funkmechaniker ein gefragter Mann. All diese Gedanken gingen mir auf diesem Wegabschnitt durch den Kopf.
Durch die Schönheit des naturbelassenen Radweges mit dem frischen Maigrün wurde ich dann abgelenkt. Es war einfach zauberhaft. An einer besonders hübschen Schutzhütte machten wir Halt und studierten die Hinweistafeln. Der Fernradweg um die Ostsee, der R I, war gut ausgeschildert. Er ging hier weiter durch Hochwald, durch Moor und immer an der Küste entlang. Wir waren überglücklich, nun endlich auf ihm zu fahren.
In Markgrafenheide warteten zwei auf uns, Ines, unsere Nachbarin, mit ihrem Töchterchen Antonia. Sie waren dort zur Mutter und Kind Kur und die Freude war groß, als wir uns gefunden hatten.
Hinter der Düne saßen wir in einem Café und hatten viel zu erzählen. Mit Antonia, die mir ans Herz gewachsen war, hatte ich so meinen Spaß. Wir zockten dann noch eine Runde und ich ließ sie noch ihr Taschengeld aufbessern. Wir trennten uns ungern voneinander, aber der Himmel fing leider wieder an, sich zu verdunkeln.
Ab Gral Müritz hatten wir großes Schietwetter. Es stürmte und regnete so sehr, dass wir kaum Luft bekamen und ein Fahren fast unmöglich wurde. Der Weg hinter der Düne war wunderschön, aber wir konnten ihn leider nicht genießen. In Wustrow gaben wir auf, denn unsere Gesichter taten richtig weh. Wie Nadelstiche, beklagte ich mich lautstark. Petrus hatte uns da übel mitgespielt.
Die Touristeninformation schickte uns ganz schnell in die Schmiedestraße, und bei der alten Dame hatten wir es kuschelig warm. Es gab noch heißen Tee und wir schliefen, total fertig von dem irren, ereignisreichen Tag, wie zwei Steine, bis zum nächsten Morgen.
