Und weiter ging’s an der deutschen Küste lang
Der vierte Mai sah um zehn Uhr morgens recht gut aus. Unsere Sachen waren trocken und die Räder gepackt. Unsere nette Wirtin machte noch ein Bild von uns und wir fuhren fröhlich von dannen.
In Ahrenshoop stoppten wir mehrmals, denn die schmucken, mit Reet gedeckten Häuser und ihre leuchtend bemalten Haustüren waren einfach zu schön und mussten bewundert werden. Holzschnitzereien in Born und Wieck sind ebenfalls eine Pracht.
Das große Vogelreservat von Prerow erstaunte uns regelrecht. Ein ganzes
Schwalbenvolk scheint da zu leben. Vogelschwärme begleiteten uns durch diese herrliche Landschaft. Die Schwalben hatten uns nicht zu viel versprochen, am Hafen von Prerow blinkte schon die Sonne. Es duftete nach frisch Geräuchertem, denn der Fischer hatte seinen Räucherofen in Betrieb. Wir kauften ein und beschlossen, faul zu sein.
Die MS Heidi wartete auf uns am Pier. Die Seeleute der Reederei Rasche begrüßten uns freundlich und verluden unsere Räder. Wir machten es uns gemütlich und genossen ein zweites Frühstück an Bord. Es war merkwürdig ruhig auf dem Achterwasser. Eine Kegelrobbe rekelte sich auf ihrer kleinen Insel, und nur vereinzelt schrie mal eine Möwe auf. Ich war zu langsam mit meinem Fotoapparat und konnte leider diesen Moment nicht einfangen. Und ich glaube, echte Genießer fotografieren auch nicht, oder?
Später machte ich mir mal Gedanken darüber. Solche Momente in sich aufsaugen ohne Fotos zu machen, sind die nicht schöner? Aber ich neige dazu, alles in Fotos festhalten zu wollen. Ich kann nicht aus meiner Haut, und wenn ich mich hängen lasse, treibt es Fred umso doller. Na, wir waren schon ein verrücktes Paar!
Der Kapitän fragte uns noch, ob wir auch die Robbe drauf haben, aber klar doch, meinten wir. Dann fuhren wir nach Bodstedt ein und das war auch ein erhebendes Gefühl. Haben wir da doch mal gezeltet, gemeinsam mit der Familie von Freds älteren Schwester.
Schau mal, da ist die Gaststätte, wo wir Tanzen waren und dort die Wiese, wo die vielen Champignons standen. Ja, hier hatten wir auch viel Spaß, und wie klein die Kinder da noch alle waren. Das waren schöne Erinnerungen. Und dann waren wir auch schon in Barth und machten uns bei der Info schlau.
Der Radweg führte uns weiter an der Ostsee entlang. Es ging an der Jugendherberge vorbei, und dann mussten wir wieder Bilder machen. Es gibt dort wahnsinnig schöne Stellen, die Blicke auf´s Meer, die weidenden Pferde, die Deichwege mit den kleinen Brücken und die unendlich weite Graslandschaft.
Es war einfach unglaublich toll, bis Fredi Kaffeedurst bekam. Da konnte er unleidlich werden, genauso wie seine Mutter damals, und ich musste mal wieder schmunzeln. Wir fanden kein Café, obwohl laut Ausschilderung eines da sein musste. Auf der Suche verloren wir auch noch unseren Radweg. Wir benutzten einfach kleine Straßen, die durch Niepars, Martensdorf usw. führten. Dann durchfuhren wir einen riesigen Wald, der einfach kein Ende nehmen wollte. Es wurde immer idyllischer und wir hatten herrliche Blicke auf den Borgwallsee.
Um unsere Dummheit zu überspielen, versuchte ich, Fred von den Vorzügen der südlichen Umrundung Stralsunds zu überzeugen. Welch eine himmlische Ruhe, Stadtlärm ade, keine Autogase, Erholung pur und mit diversen anderen Argumenten kaute ich ihm das Ohr ab. Nach fast 80 km hatten wir die Nase voll und als in Negast uns eine Wohnungsanzeige ins Auge fiel, klingelten wir bei den Leuten. Wir hatten Glück und wurden freundlich eingelassen. Hinten im Garten bekamen wir ein ganzes Häuschen, ruhig gelegen und so richtig zum Wohlfühlen. In der Mitte ging eine freie Holztreppe nach oben, und ich sehe heute noch Fredi darauf sitzen und sich freuen. Und das Ganze kostete uns nur 45 Euro. Wir haben diese Unterkunft nach der Enge in der letzten Nacht genossen.
Am nächsten Morgen war Sonnenschein über Nordvorpommern. Was kann es Schöneres geben, als bei so einem Wetter von Kirchturmspitze zu Kirchturmspitze zu radeln. Es machte Spaß und als es im Dorfkrug von Reinkendorf noch so ein schmackhaftes Bauernfrühstück gab, waren wir happy. Danach bestaunten wir riesige Bohrer, die an der Straße zu besichtigen waren und lasen auf Schautafeln über die einstige Erdölförderung in diesem Ort.
Und wo fahren wir nun hin, fragten wir uns. Schließlich wollten wir mal wieder unsere geliebte Ostsee sehen. Ein Mann beschrieb uns den Weg und kam noch in seinem Auto hinterher, um zu sehen, ob wir ihn gefunden hätten.
Wir hatten Erfolg und kamen zur alten B 96. Auf ihr kamen wir zügig voran. Schon waren die Türme von Greifswald zu sehen. Welch eine Freude und das musste auch gleich wieder festgehalten werden.
Wir staunten dann. Auf einmal war um uns ein fürchterliches Gewimmel, hundert Radfahrer waren wohl auf der Kreuzung. Das ist hier vor der Uni immer so, sagte einer und schickte uns zum Wasser runter. Wir fuhren am Ryck entlang, bis zur Klappbrücke.

Jetzt ging bei Fredi die Sonne auf, sein Gesicht strahlte. So geht es wohl jedem Kaffeetrinker, wenn er in Wieck vor dem Café steht. Es war aber auch schön!
Bei perfekten Sommersonnenwetter fuhren wir danach auf dem R1 am Bodden entlang. Dann ging es weiter über eine kleine Straße von Dorf zu Dorf, u.a. über Katzow, wo uns freundliche Leute eine Unterkunft anboten. Aber wir lehnten ab. Wir waren erst bei 70 km und wollten unbedingt nach Wolgast. Als wir uns den großen Berg vor Wolgast hoch quälten, tat uns das ein bisschen leid. Wir mussten dann auch schieben, und Fredi musste Bilder machen. Er liebte große Ortseingangsschilder, und ich sollte sogar auch darauf zu sehen sein.
Wir waren ziemlich übermütig und so landeten wir in einem kleinen, aber feinen Hotel direkt am Hafen. Man versicherte uns, dass die Fahrräder, sobald der letzte Gast verschwunden ist, an der Bar platziert werden. Fred schlich später noch einmal runter und es war wirklich so.
Die Bedienung hatte uns noch darauf aufmerksam gemacht, dass Warnungen in den Medien durchgegeben werden. Sturm und Flutwellen wurden erwartet. Sie rieten uns, am nächsten Morgen den Zug zu nehmen, was wir dann auch taten.
Bei den Windböen wären wir mit den Rädern nicht weit gekommen, und der Himmel sah nicht gerade einladend aus. Und so fuhren wir gut erholt über die Grenze am 6. Mai in Swinemünde ein.